Die Kleinrinderfelder Dorfkanone ist wieder funktionstüchtig
Main Post, Franz Nickel 17. Dezember 2015
Sie führte mehrere Jahrzehnte in einem Lagerhaus ein Schattendasein, die Kleinrinderfelder Dorfkanone. Dann erinnerten sich Mitglieder des Schützenvereins an ihre Existenz. Nun ist sie – nach umfangreichen Sanierungsmaßnahmen – wieder funktionstüchtig.
Um das bewirken zu können, absolvierten drei Vereinsmitglieder einen Lehrgang und ließen sich in die nicht ganz ungefährliche Bedienung der Kanone einweisen. Dass sie gut in Schuss ist, bewies das Gerät bei der Proklamation des Schützenkönigs in diesem Jahr: Die Kanone überstand die Salutsalven zu je drei Schuss unbeschadet und steht nun für besondere Anlässe auf Abruf bereit.
Klaus Dörr ist einer der drei Lehrgangsteilnehmer. Er erinnerte daran, dass zu Beginn des Zweiten Weltkriegs der Befehl erging, Gefallene seien in würdevoller Weise beizusetzen. Dazu sollte auch ein Ehrensalut geschossen werden. Weil aber viele Gemeinden wie auch Kleinrinderfeld über keine Garnison verfügten und diesen Befehl nicht befolgen konnten, herrschte ein Ansturm auf die Hersteller von Salutschussgeräten. Man machte sich auf die Suche und stieß auf den Waffenhersteller Josef Weinig in Pocking. „Vielleicht erhielt der damalige Ortsvorsteher Gregor Borst einen Tipp von seinem Amtskollegen in Kirchheim“, sagte Dörr.
Die Nachbarkommune hatte seiner Kenntnis nach bereits 1937 den Auftrag zur Beschaffung einer Kanone erteilt. Die Herstellung des Salutschussgeräts dauerte Monate. Ausgeliefert wurde es per Zug zum Bahnhof Kirchheim, von dort kam es mit dem Fuhrunternehmen Scheuermann nach Kleinrinderfeld.
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Soldaten der Flugplatzabwehr Giebelstadt machten den damaligen Totengräber Fritz Schirmer und den Gemeindearbeiter Stefan Arlt mit der Handhabung vertraut; die beiden mussten bald aktiv werden. Bis 1944 musste aus Anlass von 85 symbolischen Beisetzungen – die Soldaten wurden fernab der Heimat beerdigt – Salut geschossen werden. Für 22 im Jahr 1945 oder später Gefallene gab es keinen Salut mehr, denn vor dem Einmarsch der Amerikaner im April 1945 wurde die Kanone unter Metallschrott versteckt. Für eine Reinigung und Konservierung blieb damals keine Zeit. Später wurde sie mehrere Jahrzehnte lang im Keller des jetzigen Rot-Kreuz-Heims aufbewahrt.
Klaus Dörr kann sich noch daran erinnern, wie einige Mitschüler und er in den 1960-er Jahren die Kanone einmal herausholten und durchs Dorf zogen. Jemand hatte vergessen, das Tor zu schließen. Doch der Gemeindearbeiter Wilhelm Amrehn erwischte sie, schimpfte die Buben aus und sie mussten die Kanone wieder zurückbringen. Danach war die Kanone rund 20 Jahre in einem Lagerhaus des gemeindlichen Bauhofs untergestellt und „der Zahn der Zeit nagte an Holz und Metall“, so Dörr.
Etliche Reparaturen
2014 erinnerten sich die Mitglieder des Schützenvereins an die Kanone. Nach der Freigabe durch die Bürgermeisterin nahm man das Gerät unter die Lupe. Die hölzernen Speichenräder waren wurmstichig, das rechte Rad fiel auseinander. Außerdem fehlten Teile des Abzugmechanismus‘. Alfred Scheuermann, der letzte Wagner im Ort, fertigte eine neue Radnabe und Speichen an, Friedel Gerstner und Klaus Dörr erledigten Arbeiten am Rohr und der Lafette. „Damit war sie schon ziemlich ansehnlich, aber noch lange nicht funktionstüchtig.“
Recherchen ergaben, dass es die Salutkanonenwerkstatt in Pocking noch gibt. In Niederbayern wurde festgestellt, dass die aggressiven Schwarzpulverrückstände das Metall sehr beschädigt hatten. Die Instandsetzung dauerte deshalb mehrere Wochen. Bei der Sanierung wurde unter anderem das Kartuschenlager am Rohrende ausgedreht und erneuert.
Um den notwendigen Sachkundenachweis zu bekommen, nahmen Reinhard Eitel, Thomas Kestler und Klaus Dörr an einem Lehrgang bei der Waffen-Frankonia teil. Notwendig war zudem eine Bescheinigung des Beschussamtes in Mellrichstadt – eine von insgesamt sieben solchen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wurde festgestellt, dass 1939 kein amtlicher Beschuss durchgeführt worden war.
Böllern zur Königsfeier 2016
„Nachdem auch diese Hürde genommen war, übten wir ausführlich alle Tätigkeiten“, betonte Dörr. Die offizielle Inbetriebnahme erfolgte bei der Schützenkönigproklamation 2015. „Wir werden voraussichtlich im Februar 2016 zu unserer Königsfeier wieder böllern“, kündigte er an. Ansonsten sind die drei Kanoniere auch bereit, auf Anforderung der Gemeinde, Pfarrgemeinde oder anderen Vereinen aktiv zu werden.